ZWEI SCHULKAMERADINNEN – Wie sich die Schriftstellerin Anna Seghers und Luise Kunz aus Arheilgen wiederfanden

„Wie es immer ist, wenn man unbeschwert froh ist, man merkt gar nicht, wie unbeschwert froh man ist“, schrieb Anna Seghers 1963 an ihre einstige Mitschülerin Luise Kunz aus Arheilgen. Dieser Briefwechsel zwischen den ehemaligen Klassenkameradinnen entstand, als die in Arheilgen lebende Luise Kunz, geb. Wegener, Anna Seghers Erzählung „Der Ausflug der toten Mädchen“ las. Sie war elektrisiert, denn es war die literarische Verarbeitung eines gemeinsamen Schulausfluges ihrer Klasse in Mainz vor dem ersten Weltkrieg. Spontan schrieb sie Anna Seghers einen Brief. HansWilli Ohl, Vorsitzender der AnnaSeghersGesellschaft, hat diese bisher unbekannte Geschichte rekonstruiert und berichtet uns am Donnerstag, 19.05.2022, 19:30 Uhr von der spannenden Spurensuche, die ihn über Berlin nach Arheilgen führte. Ausklingen wird der Abend mit einer Lesung aus Anna Seghers Erzählung „Der Ausflug der toten Mädchen“.

Für die Veranstaltung im Arheilger Stadtteilverein gelten die aktuellen Coronaregelungen. Der Eintritt ist frei um eine Spende zugunsten der Veranstaltungen des Arheilger Stadtteilvereins wird freundlich gebeten

Anschrift: Muckerhaus Arheilgen, Messeler Str. 112a.

Informationen finden sich hier.

„Wichtig, Durcharbeiten!“ – Ein Tag bei Anna Seghers

Anna-Seghers-Museum. Akademie der Künste, Berlin Foto © Andeas Süß, 2019

Das Leben und Werk von Anna Seghers stehen im Mittelpunkt eines der Schriftstellerin gewidmeten Thementags am 27.05.2022 in Berlin-Adlershof. Führungen im Anna-Seghers-Museum bringen den original erhaltenen Wohnort nahe. Die Schauspielerin Almut Zilcher liest die Novelle Der gerechte Richter. Der von Anna Seghers nicht veröffentlichte Text fand sich erst im Nachlass und thematisiert die zeitlos gültige Fragestellung „Ist Gerechtigkeit möglich?“. Am Abend findet im Theater OST eine Lesung der Schauspielerin Ursula Werner aus Der Ausflug der toten Mädchen statt.

In Kooperation mit dem Theater OST in Berlin-Adlershof.

Weitere Informationen finden sich hier.

Dr. Ursula Elsner (1954 – 2022)

Die Anna-Seghers-Gesellschaft trauert um ihre langjährige Vorsitzende Dr. Ursula Elsner, die nach langer schwerer Krankheit am 30. April 2022 gestorben ist. Sie leitete die Gesellschaft von 2005 bis 2013.

Alle, die sie kannten, verlieren einen stets zugewandten Menschen, der die Auseinandersetzung nicht scheute, aber dabei auf Konsens aus war. Alle, die mit ihr befreundet waren – und das waren viele auch aus der Seghers-Gemeinschaft – verlieren mit ihrem Tod eine in allen Lebenslagen verlässliche Vertrauensperson. Wenn sie etwas zusagte, konnte man sich darauf verlassen. Selbst während der zunehmend die Kräfte absorbierenden Krebskrankheit kümmerte sie sich um die Aufgaben, die sie als Redaktionsmitglied übernommen hatte.

Als Dozentin an der Pädagogischen Hochschule in Freiburg vermittelte sie den Studierenden über viele Jahre engagiert das Werk von Anna Seghers und animierte sie auch zum Eintritt in die Anna-Seghers-Gesellschaft.

Wir trauern um eine Freundin und Weggefährtin, die uns zu früh verlassen musste und die wir sehr vermissen.

Ein ausführlicher Nachruf auf Dr. Ursula Elsner folgt in unserem Jahrbuch Argonautenschiff, das im November erscheinen wird.

Der Vorstand der Anna-Seghers-Gesellschaft

 

Zwischen Anpassung und Widerstand – Frankfurt liest ein Buch

1936/1937 – die Nationalsozialisten sind an der Macht, auch in Frankfurt am Main. Zwei Schriftstellerinnen lassen ihre Romane – Nach Mitternacht und Das siebte Kreuz – in dieser Zeit spielen. Die eine, Irmgard Keun, sitzt in Ostende in Belgien, ihr Roman wird im Februar 1937 beim Exilverlag Querido in Amsterdam erscheinen. Die andere, Anna Seghers, lebt mit ihrem Mann und den zwei Kindern Peter und Ruth in Paris, sie schreibt ihren Roman 1938/39, er wird im Jahr 1942 zuerst in den USA auf Englisch und dann auf Deutsch im Exilverlag El Libro Libre (Das Freie Buch) in Mexiko erschienen.

Hans-Willi Ohl vergleicht die beiden Romane miteinander, die aus jeweils unterschiedlichen Perspektiven die Stadt Frankfurt/M. sowie die vom Nationalsozialismus geprägte Gesellschaft beleuchten. Uwe Zerwer vom Schauspiel Frankfurt wird dazu entsprechende Textpassagen lesen.

Freitag, den 6. Mai 2022 um 20 Uhr

Buchhandlung Schutt am Bornheimer Uhrtürmchen, Arnsburger Str. 68, 60385 Frankfurt/M.

Eintritt: 10,-€

Anmeldung: info@buchhandlung-schutt.de

Begegnung mit Anna Seghers

Zum diesjährigen UNESCO-Welttag des Buches erinnert die Anna-Seghers-Bibliothek im Linden-Center am Freitag, dem 29. April 2022, 19 Uhr an die große Schriftstellerin, deren Namen die Bibliothek seit ihrer Eröffnung im Januar 1986 trägt. Zu Gast sind zwei Künstlerinnen, die sich auf unterschiedliche Weise mit Leben und Werk von Anna Seghers beschäftigt haben und an diesem Abend zum ersten Mal gemeinsam auf der Bühne stehen.

Anna Faroqhi, Filmemacherin und Zeichnerin, erzählt in der Graphic Novel „Andersdenkerinnen“ die Lebens- und Fluchtgeschichten von drei jüdischen intellektuellen Frauen, die im Deutschland unter den Nationalsozialisten nicht leben konnten. Auch das Schicksal von Anna Seghers erschließt sich hier aus der Perspektive von jungen Menschen der Gegenwart. Die Graphic Novel über die Macht des Wortes, die Folgen erzwungener Migration und den Wert von Freiheit und Individualität ist gerade im bebra-Verlag erschienen und wird in Bild und Text präsentiert.
Die Schauspielerin und Sprecherin Inga Bruderek widmet sich vor allem den Frauengestalten in Anna Seghers Werk und liest aus  Erzählungen wie „Der Ausflug der toten Mädchen“, „Das Schilfrohr“ und anderen. Sie erzählen von ihrem Hunger auf Leben und von der Sehnsucht nach Glück, vom Mut, menschlich zu sein und sich selbst treu zu bleiben. Es sind Geschichten von Frauen, die in der Kraft der Schwachen ihre Würde bewahren, auch wenn sie vom politischen Terror ihrer Zeit zerrieben werden.

Die Lesung wird unterstützt von der HOWOGE Wohnungsbaugesellschaft mbH, für deren Mieter*innen Freikarten zur Verfügung stehen. Der reguläre Eintritt beträgt 4, mit gültigem Bibliotheksausweis 3 Euro. Die Platzkapazität ist begrenzt und abhängig von den dann gültigen Regelungen der Infektionsschutzverordnung.  Vorverkauf und Anmeldung starten am 08. April 2022.

Anna-Seghers-Bibliothek Im Linden-Center
Prerower Platz 2, 13051 Berlin
Öffnungszeiten

Montag, Dienstag, Mittwoch    13.00-19.00 Uhr
Donnerstag, Freitag                  9.00-18.00 Uhr
Samstag                                   9.00-13.00 Uhr

Weitere Informationen finden sich hier.

Stellungnahme des Vorstands der Anna-Seghers-Gesellschaft zum Krieg in der Ukraine

Für eine neue Entspannungspolitik – Stellungnahme des Vorstands der Anna-Seghers-Gesellschaft zum Krieg in der Ukraine

 

 

 

 

 

 

Die Schriftstellerin Anna Seghers hat sich zeit ihres schriftstellerischen Schaffens für ein friedliches Leben eingesetzt. Sie hat 1935 im Exil in Frankreich, als Hass und Ausgrenzung einen drohenden Krieg in Europa beschworen, in ihrer Rede „Vaterlandsliebe“ über den Zusammenhang von Nation und Krieg nachgedacht:

„Wir haben in dieser Zeitenwende, die wir, wie kaum eine Nation die ihre, mit qualvoller Bewusstheit erleben, Menschen um Ideen wie um Fahnen bis zum Zerfetzen kämpfen sehen. Vielleicht ist um keine Idee raffinierter und trivialer geschriftstellert worden, als um die: Vaterland.“ (Vaterlandsliebe. Rede auf dem I. Internationalen Schriftstellerkongreß zur Verteidigung der Kultur 1935)

Auch nach dem 2. Weltkrieg, als sich die Deutschen in konträren Blöcken wiederfanden und der Kalte Krieg in den 1950er- und 1960er-Jahren immer wieder in heiße Konflikte mündete, hat sich Anna Seghers in vielfältiger Weise für die Sicherung des Friedens engagiert, arbeitete im Weltfriedensrat mit und nahm damit ihre Arbeit wieder auf, die sie schon 1932 zum Antikriegskongress in Amsterdam geführt hatte. So war sie 1950 an der Ausarbeitung des „Stockholmer Appells“ beteiligt. Nachdem sich nach den verheerenden Folgen des ‚konventionellen’ Krieges auch noch die Zerstörungskraft der Atomwaffe gezeigt hatte, sollte in dem Appell diese Waffe verboten und geächtet werden. Weltweit haben ihn damals 500 Millionen Menschen unterschrieben.

Vor dem Hintergrund der Eskalation in der Ukraine, befeuert durch den Angriff der Truppen der Russischen Föderation, droht in Europa eine Ausdehnung des Krieges, was noch mehr Tod und Leid bringen würde.

Wir fordern umgehend eine Rückkehr aller Beteiligten an den Verhandlungstisch. Mittel- und langfristig lassen sich die auf unterschiedlichen Interessen und Interpretationen der Geschichte beruhenden Konflikte nur durch eine weltweite, neue und entschiedene Entspannungspolitik eingrenzen. Dabei muss die langfristige Sicherung des friedlichen Zusammenlebens der Völker im Mittelpunkt stehen. Friedlicher Handel und kultureller Austausch waren nie ein Kriegsgrund. Dauerhaften Frieden in Europa und anderen Regionen dieser Welt wird es nur geben, wenn Großmachtstreben, Nationalismus, Chauvinismus und Autoritarismus in allen Ländern überwunden werden.

Als 1949 der „Weltkongress der Kämpfer für den Frieden“ in Paris und Prag stattfand, wurde die Taube Pablo Picassos zum Symbol für den Frieden. Anna Seghers schrieb dazu in ihrem Text Die Taube:

„Die sichtbare Welt ist nicht abstrahiert in diesem Bild von Picasso, sie ist nicht auf eine Formel gebracht – das Umgekehrte ist hier geschehen. Was ein Symbol ist, wird wieder zu einer ‚richtigen‘ Taube mit Schnabel und Federn. Wenn sich die Gedanken aller friedlichen Menschen, die in allen Städten und Dörfern daran vorbeigehen, in die graue Morgenluft einzeichnen und miteinander verbinden könnten, dann würden sie ein dichtes und zähes Gewebe um den Erdball knüpfen.“

Berlin und Mainz, 14. März 2022

 

Neues im Anna-Seghers-Museum

Ab Mai 2022 werden in den ehemaligen Wohn- und Arbeitsräumen Sonderführungen zu unterschiedlichen Themen angeboten. Dies sind die nächsten Termine:

17.5., 14 Uhr
„Überfahrten – Anna Seghers Reisen nach Brasilien 1961 und 1963 und ihre Freundschaft mit Zélia Gattai und Jorge Amado“

19.5., 14 Uhr
„Wie Netty Reiling zu Anna Seghers wurde“

21.6., 14 Uhr
„Anna Seghers im Kreis ihrer Freundinnen“

Weitere Informationen finden sich hier auf der Homepage der Akademie der Künste.

„En transit“ in der Comédie de Genève

Frei nach dem Roman Transit von Anna Seghers findet am 23.02.2022 eine Uraufführung an der Comédie de Genève statt.

2018 wurde der iranische Regisseur Amir Reza Koohestani, der auch bereits beim letztjährigen Kunstfest Weimar eine Bühnenadaption zeigte, auf einer Reise nach Chile von der Grenzpolizei am Münchner Flughafen in Gewahrsam genommen und anschließend nach Teheran zurückgeschickt. Der Grund für die Strafe war ein 5 Tage zu langer Aufenthalt im Schengen-Raum. Inspiriert von diesem Missgeschick zeigt En transit eine Schauspielerin – ein Alter Ego von Amir – die während ihrer Inhaftierung am Flughafen Transit von Anna Seghers liest, einen Roman über Exilanten während des Zweiten Weltkriegs, mit der Absicht, daraus eine Bühnenadaption zu machen.

Weitere Informationen finden sich hier.

Vorschau – „Transit“ im Theater Oberhausen

 

 

Am 06.05.2022 wird die dramatische Bearbeitung von Anna Seghers‘ Roman „Transit“ am Theater Oberhausen Premiere feiern. Regie wird der Berliner Regisseur Hakan Savaş Mican führen, der unter anderem seit 2013 Hausregisseur am Berliner Maxim Gorki Theater ist.

Hörspiel im Deutschlandfunk – „Der Ausflug der toten Mädchen“

 

 

 

 

Voraussichtlich am 14.05.2022 um 20.05 Uhr wird in der Sendung Hörspiel vom Deutschlandfunk das Hörspiel nach Anna Seghers‘ Erzählung „Der Ausflug der toten Mädchen“ (ur-)gesendet. Die Produktion unter der Leitung von Anna Panknin ist aus diesem Jahr und wird eine Spielzeit von 60 Minuten haben.

Aus dem Ankündigungstext:

„Anna Seghers‘ 1943 entstandene Erzählung „Der Ausflug der toten Mädchen“ gilt nicht nur als eines der Meisterwerke deutschsprachiger Literatur, sie ist auch das persönlichste Werk der Autorin, gewidmet ihrer im Ghetto getöteten Mutter und reich an autobiografischen Bezügen. Die Erzählerin – wie Seghers im mexikanischen Exil und noch geschwächt von den schweren Folgen eines Autounfalls – erinnert sich in einer Art Schwebezustand zwischen Traum und Realität an einen fröhlichen Schulausflug aus dem Jahr 1912 und an die Geschicke der Klassenkameradinnen bis in den Zweiten Weltkrieg hinein. Sie ist dabei zugleich allwissende Beobachterin und als Schulmädchen Netty Teil der Handlung. Dem heiteren Ausflugsgeschehen wird in einer kunstvoll verwobenen Gleichzeitigkeit von Bewusstseinsebenen, von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft das Unheil der folgenden Jahrzehnte gegenübergestellt. Anhand der unterschiedlichen Biografien von späteren Opfern, Täter- und Mitläuferinnen zeichnet Seghers exemplarisch ein Spiegelbild der deutschen Bevölkerung und widmet sich, wie schon in ihrem berühmten Roman „Das siebte Kreuz“, dem Geheimnis des Widerstandes – der Frage, was Menschen dazu befähigt, in einem inhumanen Alltag ihre Menschlichkeit zu bewahren.“

Weitere Informationen finden sich hier.